Guter Rat
Theodor Fontane
An einem Sommermorgen
Da nimm den Wanderstab,
Es fallen deine Sorgen
Wie Nebel von dir ab.
Des Himmels heitere Bläue
Lacht dir ins Herz hinein,
Und schließt, wie Gottes Treue,
Mit seinem Dach dich ein.
Kategorie: Gedichte
Eins und Alles
Johann Wolfgang von Goethe
Im Grenzenlosen sich zu finden,
Wird gern der Einzelne verschwinden,
Da löst sich aller Überdruss;
Statt heißem Wünschen, wildem Wollen,
Statt lästgem Fordern, strengem Sollen,
Sich aufzugeben ist Genuss.
Weltseele, komm, uns zu durchdringen!
Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen
Wird unser Kräfte Hochberuf.
Teilnehmend führen gute Geister,
Gelinde leistend, höchste Meister,
Zu dem, der alles schaft und schuf.
Und umzuschaffen das Geschaffne,
Damit sich´s nicht zum Starren waffne,
Wirkt ewiges lebendiges Tun.
Und was nicht war, nun will es werden,
Zu reinen Sonnen, farbigen Erden,
In kleinem Falle darf es ruhn.
Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln;
Nur scheinbar steht´s Momente still.
Das Ewige regt sich fort in allen,
Denn alles muss in Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.
Bundeslied
Johann Wolfgang von Goethe, „Bundeslied“, 1776
In allen guten Stunden,
Erhöht von Lieb und Wein
Soll dieses Lied verbunden
Von uns gesungen sein!
Uns hält der Gott zusammen,
Der unshierher gebracht.
Erneuert unsre Flammen,
Er hat sie angefacht.
Wer lebt in unseren Kreise,
Und lebt nicht selig sein?
Genießt die freie Weise
Und treuen Brudersinn!
So bleibt durch alle Zeiten
Herz Herzen zugekehrt;
Von keinen Kleinigkeiten
Wird unser Bund gestört.
Uns hat ein Gott gesegnet
Mit freiem Lebensblick,
Und alles, was begegnet,
Erneuert unser Glück.
Durch Grillen nicht gedränget,
Verknickt sich keine Lust;
Durch Zieren nicht geenget,
Schlägt freier unsre Brust.
Die Liebe
Matthias Claudius
Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Tür noch Riegel
Und dringt durch alles sich;
Sie ist ohn Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel
Und schlägt sie ewiglich.
Motet
Matthias Claudius
Der Mensch lebt und bestehet
Nur eine kleine Zeit;
Und alle Welt vergehet
Mit ihrer Herrlichkeit.
Es ist nur Einer ewig und an allen Enden,
Und wir in seinen Händen.
Diese Richtung ist gewiss,
Johann Wolfgang von Goethe
Immer schreite, schreite!
Finsternis und Hindernis
Drängt mich nicht zur Seite.
Über allen Gipfeln
Johann Wolfgang von Goethe
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.
Was machst du an der Welt? sie ist schon gemacht,
Johann Wolfgang von Goethe
Der Herr der Schöpfung hat alles bedacht.
Dein Los ist gefallen, verfolge die Weise,
Der Weg ist begonnen, vollende die Reise:
Denn Sorgen und Kummer verändern es nicht,
Sie schleudern dich ewig aus gleichem Gewicht.
Die Sterne, die begehrt man nicht,
Johann Wolfgang von Goethe
Man freut sich ihrer Pracht,
Und mit Entzücken blickt man auf
In jeder heitren Nacht.
Genieße mäßig Füll und Segen;
Johann Wolfgang von Goethe
Vernunft sei überall zugegen,
Wo Leben sich des Lebens freut.
Dann ist Vergangenheit beständig,
Das Künftige voraus lebendig,
Der Augenblick ist Ewigkeit.